Die Geschichte des Chores Schaumburger Märchensänger
Ein Neuanfang: 1980 – 1985
Von Britta Kirchhoff und Remon Sperr
Im Frühsommer des Jahres 1980 begann für den Chor der Schaumburger Märchensänger eine neue Ära. Als damaliger Musiklehrer und musikalischer Leiter des Schulchors des Neuen Gymnasiums Stadthagen trat Friedrich-Wilhelm Tebbe die Chorleitung der Schaumburger Märchensänger an. Da es bis auf sechs Choristen keine Mitglieder mehr gab, fragte er uns Schulchormitglieder, ob wir Lust hätten, bei den Schaumburger Märchensängern mitzusingen.
Gesagt – getan! Wir kannten den Chorleiter, hatten eine solide Ausbildung und kannten auch teilweise die Lieder. Innerhalb kürzester Zeit wurde ein großes Repertoire einstudiert, so dass bereits drei Wochen später die erste TV-Aufnahme erfolgte. Weitere intensive Proben folgten, ein komplettes Weihnachtsprogramm wurde aufgebaut und unser erstes Konzert fand am 06.12.1980 in der Kaiser-Friedrich Halle in Mönchengladbach statt.
Ein besonderes Highlight war das Weihnachtskonzert im Rathaussaal in Bückeburg mit den Gästen Gerda Kosbahn und Theo Altmeyer, sowie Mitgliedern des NDR Rundfunkorchesters, bei dem mehrere Szenen aus Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ aufgeführt wurden. (Der Sandmann, der Abendsegen und die Schlusschorszene). Es erklangen auch Ausschnitte aus dem musikalischen Schauspiel „Der Evangelimann“ von Wilhelm Kienzl. Die Kostüme dazu wurden von den Choreltern liebevoll genäht.
Aufgrund der Freundschaft des Chorleiters mit dem Kammersänger Herrmann Prey konnte 1981 eine Schallplattenaufnahme mit der Bachkantate 158 – „Der Friede sei mit dir“ im Schloss Bückeburg realisiert werden.
Für uns Sänger*Innen bedeutete die Chormitgliedschaft in den ersten zwei Jahren intensive Probenarbeit (montags Mädchenstimmenprobe – dienstags Solistenprobe – mittwochs und freitags Gesamtchorprobe). An den Wochenenden folgten dann häufig zwei Konzerte. Geprobt wurde unter anderem auch in Creglingen, wohin wir in den folgenden Jahren häufig reisten und Chorfreizeiten durchführten. Auch führte uns ein Engagement für einige Tage in die Niederlande. Das Repertoire bestand nun hauptsächlich aus weltlicher und geistlicher Chormusik der Romantik, Bachkantaten, Madrigalen, anspruchsvoller Musik von Rossini, sowie deutschen und internationalen Volksliedern. Schließlich wussten wir, wofür wir probten: 1982 durften wir unter der Regie von Columbia Artists Management vom 10.10. – 21.11. durch 21 Staaten der USA reisen und gaben 32 Konzerte vor jeweils ausverkauftem Haus. Aus dieser Reise resultierte die Partnerschaft von Schaumburg Illinois mit dem Landkreis Schaumburg in Niedersachsen.
Eine besondere Ehre wurde uns zuteil, als wir auf Einladung des Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, zum Weihnachtskonzert in die Berliner Philharmonie eingeladen wurden. Doch wie kam es dazu?
Der Chor hatte die schöne alte Tradition der Schaumburger Märchensänger übernommen, regelmäßig unentgeltlich in Krankenhäusern aufzutreten, um den Patienten eine Freude zu bereiten. 1981 lag Herbert von Karajan im Nordstadtkrankenhaus in Hannover und hörte uns bei einem unserer „Ständchen“ – wir sangen „Freude und Lachen“.
Er war so begeistert, dass wir daraufhin insgesamt sieben Jahre in Folge zu Weihnachten in der Philharmonie, im ICC und im Ernst-Reuter-Saal in Berlin zu Gast waren und von verschiedenen Orchestern begleitet wurden. Bisher sind die Schaumburger Märchensänger der einzige Kinder- und Jugendchor, der in der Philharmonie ein Engagement hatte.
1983 – ein weiteres Highlight: Im Rahmen eines gemeinsamen Konzerts mit Anneliese Rothenberger und Rudolf Schock wurde uns in der Olympiahalle in München die Hermann-Löns Medaille in Bronze für die Verdienste um das deutsche Volkslied verliehen. Im gleichen Jahr nahmen wir (in digitaler Qualität) in der Stiftskirche in Obernkirchen die Langspielplatte „Ave Verum“ auf.
Wir jüngeren Sänger waren immer sehr aufgeregt, wenn es vor die Tore Hamburgs, in die Gemeinde Quickborn oder nach Maschen ging. Dort befand sich das Studio von Miller International Schallplatten GmbH. Unter dem Label von EUROPA nahmen wir bis 1984 die vierteilige Serie „Die Kleinsten der Schaumburger Märchensänger singen Kinderlieder“ für eine Kassetten-Edition auf. Bereits vorher wurde eine Langspielplatte mit Volkliedern besungen. Später folgte eine Aufnahme mit Schlafliedern. Während einer dieser Produktionen trafen wir in Maschen auf die Mitglieder der Gruppe „Truck Stop“, die sich zeitgleich in einer Plattenaufnahme befanden. Voller Stolz präsentierten wir unseren Eltern die Autogramme. Die Weihnachtslieder-Kassette wurde mitten in Hamburg, unter Leitung von Wilhelm Wille aufgenommen, einem der Mitbegründer der Miller International Schallplatten GmbH. Bei Sonnenschein und heißen Temperaturen im Sommer war es eine Herausforderung für uns Kinder, die Spannung aufrecht zu erhalten, Weihnachtslieder zu singen. Herr Tebbe kaufte für jeden von uns einen großen Eisbecher, so dass wir nicht nur innerlich abkühlen konnten, sondern auch bei den Aufnahmen wieder einen kühlen Kopf bewahren konnten.
Zahlreiche Fernsehaufnahmen im ZDF und bei der ARD kamen im Laufe der Jahre zustande.
1985 wurden wir nach Arezzo / Italien eingeladen, um an einem der bedeutendsten internationalen Chorwettbewerb, dem Guido d´Arezzo (European Grand Prix for Choral Singing) teilzunehmen. Der Chor erreichte einen phänomenalen zweiten Preis. Das Konzert wurde live im Fernsehen und im Radio übertragen. Mit diesem Erfolg im Rücken durften wir im Herbst desselben Jahres als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland zum Festival „Radost Europe“ nach Belgrad, Jugoslawien, reisen. Was für eine Ehre, denn dieses Konzert wurde sogar weltweit im Fernsehen übertragen. Ein weiteres Gastspiel beim „Joy of Europe“ (Radost Europe) fand 1990 ebenfalls in Belgrad statt.
Ein Benefizkonzert zugunsten der Welthungerhilfe führte uns 1986 nach Wiesbaden, wo wir nicht nur zusammen mit Herrmann Prey, Karl Ridderbusch, René Kollo, Grace Bumbry, Theresa Berganz und Francisco Araiza auf der Bühne standen, sondern diese weltbekannten Sänger so begeistert von unserer Stimmbildung waren, dass sie unisono darum baten, sich mit uns einsingen zu dürfen. Unsere Münder standen offen. Fast hätten wir vergessen uns mit einzusingen. Was war das beeindruckend, neben diesen Persönlichkeiten zu stehen.